Vertrauliche Erstattungsbeträge dank Medizin­for­schungs­gesetz

Aber zu welchem Preis?

Fr, 01.03.2024
Das Medizinforschungsgesetz in Deutschland hätte auf Basis des aktuellen Referentenentwurfs erhebliche Auswirkungen auf Pharmaunternehmen, die innovative Arzneimittel auf den deutschen Markt bringen. Der wichtigste Aspekt im Zusammenhang mit der Preisgestaltung und Erstattung, der durch das neue Medizinforschungsgesetz geregelt werden soll, ist die Einführung vertraulicher Erstattungsbeträge in Deutschland, welche die Industrie schon seit Beginn des AMNOG im Jahr 2011 fordert.

Zusätzliches Instrument zur Kosteneinsparung

Auf Verlangen eines pharmazeutischen Unternehmens kann nun auf eine Meldung des verhandelten Erstattungsbetrages an die allgemein verwendeten Verzeichnisse (Lauer-Taxe) verzichtet werden, sodass der Erstattungsbetrag für ein Arzneimittel nicht öffentlich zugänglich wäre. Dies soll nach dem Willen des Gesetzgebers mehr Verhandlungsspielraum ermöglichen, weil die globalen Effekte des öffentlich sichtbaren Preises in Deutschland durch die internationale Preisreferenzierung wegfallen würden. Laut Referentenentwurf könnten pharmazeutische Unternehmer ihre Arzneimittel in Deutschland folglich zu niedrigeren Preisen anbieten. Vertrauliche Erstattungsbeträge sollen also ein zusätzliches Instrument zur Kosteneinsparung darstellen, so dass die vertraulichen Rabatte höher ausfallen dürften als die öffentlich sichtbaren. Voraussetzung ist, dass der Erstattungsbetrag aufgrund des erstmaligen Inverkehrbringens eines Arzneimittels mit einem neuen Wirkstoff verhandelt wird. Produkte, die bereits auf dem deutschen Markt verfügbar sind, können nach dem aktuellen Referentenentwurf also nicht von dieser neuen Option profitieren.

Nur für wenige Fälle relevant?

Im Falle der Vertraulichkeit des Erstattungsbetrages sind die pharmazeutischen Unternehmen verpflichtet, den vereinbarten oder festgesetzten Erstattungsbetrag allen Anspruchsberechtigten, also allen gesetzlichen und privaten Krankenkassen sowie anderen Kostenträgern, zu melden. Pharmazeutische Unternehmen müssen dann die Differenz zwischen dem tatsächlich gezahlten Abgabepreis und dem vereinbarten oder festgesetzten vertraulichen Erstattungsbetrag einschließlich der angefallenen Zuschläge nach Arzneimittelpreisverordnung (AMPreisV) und Mehrwertsteuer innerhalb von 10 Tagen nach Geltendmachung des Anspruchs ausgleichen. Das heißt, die Unternehmen müssen auch die Mehraufwendungen, die den Krankenkassen durch die Vertraulichkeit entstehen, ausgleichen. Nach Ansicht des Verbandes forschender Arzneimittelhersteller (vfa) ist die Vertraulichkeit der Erstattungsbeträge damit für die Mehrzahl der Arzneimittel finanziell unattraktiv und nur für wenige Fälle relevant, in denen eine internationale Preisreferenzierung die Verfügbarkeit innovativer Arzneimittel in Deutschland massiv gefährden würde.

Neben den Krankenkassen haben auch Krankenhäuser und ihre Aufsichtsbehörden sowie alle Abnehmer von Arzneimitteln mit neuen Wirkstoffen außerhalb der ambulanten Versorgung in der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV), z.B. privat versicherte Selbstzahler, das Recht, vom Spitzenverband der GKV (GKV-SV), dem Verhandlungspartner in den nationalen Preisverhandlungen, Auskunft über den vertraulichen Erstattungsbetrag und die zu erstattende Preisdifferenz zu erhalten. Es ist jedoch nicht geregelt, wie Anspruchsberechtigte oder Inhaber des Auskunftsanspruches mit den Informationen über den vertraulichen Erstattungsbetrag umzugehen haben. Daher erscheint es unwahrscheinlich, dass die Vertraulichkeit gewahrt werden kann. Somit bleibt auch fraglich, ob vertrauliche Erstattungsbeträge tatsächlich einen Vorteil im Hinblick auf die Effekte der internationalen Preisreferenzierung bieten.

Kein Recht auf Auskunft für pharmazeutische Unternehmen

Wichtig ist, dass die pharmazeutischen Unternehmen kein Recht auf Auskunft haben, während der GKV-SV direkten Zugang zu allen vertraulichen Erstattungsbeträgen hat. Dies verschafft dem GKV-SV einen deutlichen Informations- und damit auch Verhandlungsvorteil. Zudem ist nicht geregelt, ob der GKV-SV vertrauliche Erstattungsbeträge, die die zweckmäßige Vergleichstherapie betreffen, in die Preisverhandlungen einbeziehen darf.

Interessant ist, dass die Apotheken bei Arzneimitteln, für die ein vertraulicher Erstattungsbetrag vereinbart oder festgelegt wurde, nicht mehr verpflichtet sind, preisgünstige Importarzneimittel abzugeben, da sie in den öffentlichen Datenbanken nicht überprüfen können, ob günstigere Importarzneimittel verfügbar sind. Dies gilt auch für die Entscheidung der Verordner nach dem Wirtschaftlichkeitsgebot. Das bedeutet, dass die Vertraulichkeit des Erstattungsbetrages automatisch die Wirtschaftlichkeit für Apotheken und Verordner sicherstellt und individuelle Regressansprüche verhindert. Dies könnte sich insbesondere in einem wettbewerbsintensiven Umfeld positiv auf die Marktdurchdringung und den Marktanteil auswirken.

Sorgfältige Abwägung erforderlich

Insgesamt werden mit dem Referentenentwurf des Medizinforschungsgesetzes mehrere Maßnahmen eingeführt, die die Rahmenbedingungen für den Arzneimittelsektor in Deutschland verbessern sollen. Die Einführung vertraulicher Erstattungsbeträge verschafft den Pharmaunternehmen mehr Verhandlungsspielraum, ist aber auch mit zusätzlichen Kosten verbunden. Die Entscheidung eines Unternehmens, die Vertraulichkeit des Erstattungsbetrags zu verlangen, erfordert daher eine sorgfältige Abwägung der wirtschaftlichen Chancen und Risiken. Wir werden den weiteren Verlauf des Gesetzgebungsverfahrens intensiv verfolgen und unsere Klienten aus der Pharmabranche weiterhin dabei unterstützen, die strategischen Auswirkungen auf ihre Arzneimittel in Deutschland zu verstehen.

Quellen:

Über den Autor

Ihre Ansprechpartnerin Dr. rer. nat. Lydia Frick
Dr. rer. nat. Lydia Frick
M.Sc. Psychologie
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